Um fünf Uhr aufstehen, stundenlanges Sitzen, Schweigen und im Kreis Gehen – Zen ist alles, nur nicht Wellness. Ein Besuch im viel umworbenen Benediktushof.
Eins vorneweg: Ich hatte mich wirklich auf dieses Wochenende gefreut. An Pfingsten hatte ich mir eine Woche Urlaub genommen und weil der Heilige Geist um die Zeit ja bekanntlich besonders aktiv sein soll, dachte ich, es wäre der richtige Moment für eine kleine klösterliche Auszeit. Ausgeguckt hatte ich mir einen Zen-Einführungskurs, den ich mir in etwa so angenehm wie einen SPA-Aufenthalt für die Seele vorstelle. Weil Yoga und – wie ich bin rückblickend erkennen muss – meine Softie-Feelgood-Meditation aus meinem täglichen Leben nicht wegzudenken sind, dachte ich mir, das müsste ja ganz gut passen, weil es mir irgendwie, zumindest im entfernten Sinne, artverwandt erscheint. Dass Yoga und Zen miteinander jedoch ungefähr so viel zu tun haben wie das Oktoberfest mit dem normalen Münchner Leben, lerne ich schnell. Und nicht nur das.
Verschlagen hat es mich an den Benediktushof in der Nähe von Würzburg. Jeder, wirklich jeder, mit dem ich mich im Vorfeld darüber unterhalten habe, hat mir diesen empfohlen oder nur Gutes darüber gehört. Also, why not?
Bereits der Taxifahrer, ein freundlicher Herr mit starkem Würzburger Dialekt, fordert mich auf, während der Autofahrt doch noch möglichst lange und ausgiebig zu sprechen, denn „die da auf dem Hof“ würden alle nichts mehr sagen. Hmm. Ok, also lasse ich mich auf den Smalltalk ein und erfahre, dass wohl alle Welt ins beschauliche Holzkirchen (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort im Süden von München) kommt und dass er sofort sieht, dass ich noch nie da war. Herrje. Woran nur? Ich schaue mein Outfit an, Jeans, Poloshirt, Bootsschuhe, alles recht harmlos, wie mir scheint und dann, einen Blick auf meine LuiVui-Jeff Koons Tasche später, wird mir alles klar. Verdammt.
Um dem Tussi-Verdacht zu entgehen, lasse ich unmittelbar nach dem Einchecken gleich mein Make-Up weg (funktioniert auch super, wenn man im Büro mal etwas kränklich aussehen will) und laufe dann über das Gelände. Sofort wird mir klar: Die nehmen das mit dem Schweigen verdammt ernst. Überall nur betrübt (später lerne ich: fokussiert) und meist auf den Boden schauende Menschen in alternativen Schlabberklamotten.
Erschrocken lese ich auf einem Info-Zettel, dass man auffallende Kleidung der Ablenkung wegen bitte meiden möge. Mein blau-gemustertes Sportoutfit muss also leider im Koffer bleiben und ich renne aus Mangel an Alternativen zwei Tage lang in Schwarz rum. Passend für eine Beerdigung also und ehrlich gesagt, schon bald fühle ich mich lebendig begraben.
Dabei will ich nicht unfair sein: Der Benediktushof ist eine wunderschöne Anlage. Besser kann man so einen Ort in Deutschland wohl kaum gestalten. Es gibt viel Grün, einen Zen-Garten und was mir besonders gut gefällt ist die gelungene, ja geradezu mühelose Mischung aus Ost und West. Gleich bei der Rezeption stehen in zwei Nischen sowohl eine Buddhastatue als auch ein Jesusbild, jeweils mit einer Kerze davor. Das beißt sich kein Stück, im Gegenteil, schnell wird die Kapelle mein Lieblingsraum: eine aufgeschlagene Bibel liegt dort auf einem großen Stein, es gibt eine Tür ganz aus Glas, die Wände sind aus grauem Stein, es gibt Meditationskissen. Nicht mehr, nicht weniger. So schlicht, so schön kann Kirche sein. Wow.
Nun aber zum eigentlichen Kern meines Kommens, denn damit, das merke ich rasch, werde ich nicht so recht warm. Die Mahlzeiten nimmt man schweigend ein, man wartet, bis alle da sind, verbeugt sich vor und nach dem Essen. Alles schön und gut, aber bei schweigenden Menschen am Esstisch muss ich sofort an jene bemitleidenswerten Paare denken, die sich nichts, aber auch gar nichts, zu sagen haben. Außerdem macht man gänzlich ungrazile Handbewegungen, die nur eines bedeuten: Ich will bitte diese Schüssel da, ja genau DIESE. Immerhin, es schmeckt recht gut und keiner verhungert. Stärken sollte man sich auf jeden Fall, denn der Tagesablauf hat es in sich. Ja, mehr noch, schon beim ersten Blick auf den Stundenplan weiß ich: Das wird hart. Was ich dabei erlebt habe, erfahren Sie am 02. Juli.
Text: Dr. Daniela Otto
Aufmacherbild: Alexandre Chambon/unsplash
Fotos: intern/Marina Jagemann