Mindestens einmal in seinem Leben leidet fast jeder Deutsche unter Rückenschmerzen. Naheliegend, dass man dann zunächst den Hausarzt oder den Orthopäden aufsucht. Allerdings: Nicht selten ist nicht die Wirbelsäule selbst die Ursache der Beschwerden. Vielmehr kann eine Craniomandibuläre Dysfunktion, besser bekannt als CMD, die Schmerzen auslösen. Was genau steckt dahinter?
Auf den ersten Blick verwundert der Zusammenhang von Rückenschmerzen und Zähnen vielleicht. Bei näherer Betrachtung ist diese Verbindung aber nicht erstaunlich. Zahnarztspezialisten sehen das Kiefergelenk zusammen mit dem Ober- und Unterkiefer sowie den Zähnen als Verlängerung der Wirbelsäule.
Und was genau versteht man unter einer CMD? „Eine absteigende CMD liegt dann vor, wenn Patienten unter einer Funktionsstörung des Kausystems leiden“, erklärt Dr. Gerd Reichardt mit Praxis in Stuttgart. „Das hat unterschiedliche Ursachen, wie zum Beispiel die Fehlstellung von Schädel und Unterkiefer.“ Viele Patienten mit CMD haben Rückenschmerzen, leiden unter Nackenverspannungen bis hin zu Schmerzen in der Schulter und Taubheitsgefühlen in den Fingern.
„Das liegt daran, dass die Verspannungen aus der Kiefermuskulatur über den Nacken und die Schulter bis in den unteren Bereich des Rückens wandern können“, so Dr. Reichardt. Und es gibt noch weitere Symptome wie Schwindel, Tinnitus, Kopfschmerzen und Migräne. Sogar massive Schlafstörungen können Begleitsymptome einer CMD sein.
Hauptursachen des CMD Syndroms
Als eine der Hauptursachen von CMD gelten Zahn- und Kieferfehlstellungen. Die können wachstumsbedingt sein, genetisch vorprogrammiert sein oder durch Zahnlücken und schadhaften Zahnersatz entstehen. Unser Gehirn erhält Fehlermeldungen und versucht diese Fehlstellungen durch die Muskulatur auszugleichen beziehungsweise sich an diese anzupassen, was Verspannungen der Kau-, Kopf- und Gesichtsmuskulatur verursacht. „Wird diese Anspannung dann chronisch, entsteht eine Craniomandibuläre Dysfunktion“, so der Stuttgarter Zahnarztspezialist.
Aber auch Stress kann eine Ursache sein. Viele Menschen reagieren darauf mit Zähneknirschen, dem sogenannten Bruxismus. Beim Zähneknirschen wiederum entstehen extreme Kräfte, welche starke Verspannungen verursachen, die sich zu CMD entwickeln können. Ein Teufelskreislauf entsteht.
Individuelle Therapie beim CMD Syndrom
Was tun? Bei einem Verdacht auf CMD sollte nach einem ausführlichen Anamnesegespräch zunächst eine Funktionsanalyse durchgeführt werden, wofür die Zahnärzte mit der Zusatzausbildung für Ästhetik und Funktion besonders qualifiziert sind.
Anschließend können MRT-Bilder der Kiefergelenke differenzierte Auskunft geben. „Steht die Diagnose fest, empfehlen wir eine individuelle Therapie. Dazu zählen das Tragen einer Zahnschiene während der Nacht. Aufbissschienen aus Kunststoff befreien den Unterkiefer in kürzester Zeit aus dem Korsett der Verzahnung und geben ihm die Möglichkeit, sich in seiner physiologischen Stellung zu stabilisieren. Die falsche Unterkieferlage wird dadurch aufgelöst und die fehlerausgleichende Muskulatur kann sich entspannen. Eine spätere Behandlung der Fehlstellung ist immer dann zu empfehlen, wenn der Patient positiv auf das Tragen der Schiene reagiert”, erklärt Dr. Reichardt.
Sinnvoll ist in vielen Fällen zudem die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Osteopathen, Physio- oder in manchen Fällen auch Psychotherapeuten. Auch Entspannungstechniken wie Yoga oder Thai Chi können unterstützend eingesetzt werden und helfen.
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