Wenn jedes Niesen, jede körperliche Anstrengung zu einer Belastungsprobe für die Blase wird, steht die Diagnose fest: Inkontinenz, unkontrollierter Urinverlust also. Es betrifft immer mehr Frauen und ist nach wie vor ein Tabuthema…
Blasenschwäche ist ein peinliches Leiden, das mich irgendwann zum zweiten Mal im Leben zum Windelträger machen würde. Dabei wäre ich immerhin in guter Gesellschaft: Fast 85 Prozent aller Frauen und 15 Prozent aller Männer sind irgendwann laut Statistik von diesem Volksleiden, auch Belastungsinkontinenz genannt, betroffen. Was tun?
Als sich bei mir ab Mitte 50 diese wohl bekanntesten Symptome einer Blasenschwäche zu häufen begannen, konnte ich die Ursachen für Inkontinenz auf Anhieb googeln: Mutterschaft, Wechseljahre und, seufz, das fortgeschrittene Alter (56). In Folge dieser multiplen Ausgangslage kann mein erschlaffter Beckenboden den Blasenschließmuskel nicht mehr ausreichend stützen, um die Harnröhre bei Belastungsproben wie schwerem Heben, Husten oder meinem heimischen Hanteltraining vollständig verschlossen zu halten. Fazit: Eine Belastungsinkontinenz wird nicht besser, eher schlimmer.
Ein Wunderstuhl gegen Inkontinenz?
Mein drohendes Windelschicksal vertraute ich einer Freundin an. Sie erzählte mir von ihrer erfolgreichen Inkontinenz Behandlung auf einer Art Wunderstuhl namens “BTL Emsella” in der Praxisklinik Pöseldorf in Hamburg. In vier bis sechs Sitzungen sei meine Blasenschwäche behoben. Bei ihr hätte es wunderbar funktioniert, sie sei seitdem „ein neuer Mensch“.
Das monströse Gerät, auf dem ich ein paar Tage später in der bekannten Privatpraxis meine erste Sitzung absolviere, als Stuhl zu bezeichnen, ist ungefähr so, als vergliche man einen orthopädischen Schuh mit einem Manolo Blahnik. Aber das ist auch wiederum sehr beruhigend: Bei diesem kreisrunden Ungetüm – es erinnert irgendwie an einen WC-Stuhl – mit tonnenschwerer Magnetfeldplatte im Innern seiner ausladenden Sitzfläche steht eindeutig die Funktion im Vordergrund.
16.000 Muskelkontraktionen in 30 Minuten
Die haben es in sich. Klinikchef Holger Fuchs erklärt mir vor der ersten Sitzung das Prinzip: Von unten, aus dem Innern der wuchtigen Sitzplatte also, würden in der nächsten halben Stunde elektromagnetische Wellen direkt in Richtung meiner erschlafften Beckenbodenmuskulatur schießen.
Die Übungen seien, so der Arzt weiter, neben den berühmten Liebeskugeln die bewährteste Methode zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur und wirke damit effektiv gegen Blasenschwäche. „Das aber schafft kein Mensch, und genau das macht dieses Verfahren so unglaublich effektiv“, so der Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie.
Während des „Trainings“ Kaffee trinken und lesen
Die Sitzung erweist sich als relativ angenehm: Ich brauche mich nicht zu entkleiden, in meiner Jeans nehme ich auf dem Inkontinenz Thron Platz. Wenig später spüre ich die Magnetwellen wie rhythmisches Klopfen durch meinen Unterleib pulsieren. Es ist nicht unbedingt schmerzhaft, aber gewöhnungsbedürftig. Immerhin schaffe ich es, dabei in der GALA zu blättern und einen Kaffee trinken, während meine Belastungsinkontinenz behandelt wird. An einem Rädchen kann ich auf einer Skala bis 100 die Intensität der elektromagnetischen Energie selbst regulieren. Am Ende drehe ich auf bis zum Anschlag – wenn schon, denn schon.
Schöner Nebeneffekt: straffere Bauchmuskeln
Um es kurz zu machen: Ich absolvierte anschließend noch drei weitere Sitzungen auf dem Wunderstuhl, genoss jedes Mal die Auszeit vom Alltag bei Klatschlektüre im Bewusstsein, theoretisch drei Tage lang ununterbrochen Situps zu machen. Genau dieser Effekt stellt sich dann auch ein: Seit Ende der Therapie bin ich zu 100 Prozent blasenfest, meine Schließmuskeln (furchtbares Wort) gehorchen mir wie in jungen Jahren. Schöner Nebeneffekt: Meine Bauchmuskeln sind sichtbar gestrafft, ich profitiere also auch äußerlich von der Inkontinenz Therapie. Irgendwann, so Holger Fuchs nach der letzten Sitzung, ließe natürlich der Festigungs-Effekt nach – es sei denn, ich trainiere täglich mein Core-Muskulatur inklusive Beckenboden, etwa mit Yoga- oder Pilates-Übungen. Falls nicht, müsse ich in zwei Jahren wohl wieder auf den Stuhl. Aber hier hege ich bereits andere Pläne: Meine nächsten vier Termine finden schon im kommenden Jahr statt – vor dem – bis dahin hoffentlich möglichen – nächsten Strandurlaub
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