Ästhetische Medizin Gesicht

Die Zukunft der Filler

Erst wenn ein Filler 100.000 mal im Einsatz war, weiß man, wie sicher er ist. Sind Patienten Versuchskaninchen der Fillerindustrie? Brauchen wir überhaupt noch neue Filler? Wenn ja: Wie viele, welche, für welche Zwecke? Bericht von einem Gipfeltreffen in Stockholm.

Die Behandlungen mit Fillern boomen. Regelmäßig kommen neue Filler auf den Markt. Ist das überhaupt nötig und wie sicher sind sie? Zu diesen Fragen fand kürzlich in Stockholm im Rahmen des BTS-Kongresses („Beauty through Science“) ein hochkarätiges Gipfeltreffen statt. Unter Leitung des Kongress-Präsidenten Per Hedén diskutierten führende Forscher der konkurrierenden Big Player Allergan, Galderma, Teoxane und Merz über Ziele und Probleme bei der Anwendung und Entwicklung von Fillern. Die Perspektive der Anwender, also der Ärzte, wurde vertreten durch drei Ärzte, darunter auch die Münchner Dermatologin Dr. Patricia Ogilvie. „Das war eine einmalige, herausragende Möglichkeit, jenseits von kommerziellen Interessen über strukturelle Fragen zu diskutieren“, lobte sie die Debatte.

Für Patienten, die auf Filler vertrauen, war die Diskussion leider nicht immer beruhigend. Auf der positiven Seite wurde überdeutlich, wie viel die Firmen in die Zukunft investieren. Zehn bis 25 Prozent des gesamten Umsatzes – also nicht nur des Gewinns – fließen in firmeneigene Forschung. Zudem steht außer Frage, dass alle genannten Unternehmen auftretende Probleme akribisch untersuchen. Ebenfalls lobenswert: Alle Forschungschefs nahmen offen Stellung zu den kritischen Anmerkungen der Ärzte.

Was tun bei Komplikationen mit Fillern?

Der Hauptkritikpunkt von Jan Jerbeck, Stockholmer Chirurg, lag in der Anonymität der Fillerhersteller aus Sicht der Patienten. Weil die Ärzte, nicht die Fillerproduzenten, im Kontakt mit den Patienten stehen, landet nach Komplikationen aller Ärger bei ihnen. „Auch ich habe früher Artecoll genutzt“, erklärte Jerbeck. Von dem Verwenden dieses permanenten Fillers der Firma Artes wird mittlerweile abgeraten, weil er häufig sicht- und tastbare Knötchen hervorruft. „Als bei meinen Patienten die ersten Komplikationen auftraten, wollten sie mich umbringen, nicht den Hersteller.“ Bei dieser Struktur gehen unseriöse Firmen, die unausgereifte Produkte auf den Markt bringen, zunächst kein großes Risiko ein. So lange es zu keinem Prozess kommt, bleibt aller Ärger bei den Verbrauchern und bei ihren Kunden, den Ärzten. Tatsächlich musste selbst Per Winlöf, Produktentwickler bei der renommierten Firma Galderma, eingestehen: „Wir können noch so viel forschen. Wie ein Filler wirklich in der Haut reagiert, wissen wir erst, wenn er 100.000 Mal benutzt wurde.“

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+ Was wir uns merken müssen: Bei neuen Fillern sind die Patienten trotz aller vorangehenden Untersuchungen Versuchskaninchen. Wer auf Nummer sicher gehen will, besteht auf bewährte Präparate.

Der Fokus des Chirurgen Per Hedén lag auf der Haltbarkeit der Filler. Bei einem Patienten, dem er mit einem Filler die Nase korrigiert hatte, fand Hedén vier Jahre später bei einer chirurgischen Nasenkorrektur das gesamte Unterspritzungsmaterial vor – obwohl es nach Herstellerangaben schon lange hätte abgebaut werden müssen. „Wieso halten die Filler manchmal so lange? Wir wissen vieles immer noch nicht.“ Dr. Patricia Ogilvie ergänzte, dass Haltbarkeit bei Fillern zwei Gesichter hat. „Es gibt die sichtbaren Effekte, aber es gibt auch Restmoleküle im Gewebe, die man weder spürt noch sieht.“ Was in diesem Zusammenhang zur Sprache kam: Für die Fillerhersteller wäre es überaus riskant, diese Restmoleküle zu erforschen. Würde sich abzeichnen, dass ein Filler permanente Spuren im Gewebe zurücklässt, wäre die US-Zulassung sofort verloren. Hier sind permanente Filler grundsätzlich verboten.

+ Was wir uns merken müssen: Lassen die sichtbaren Effekte nach, können durchaus Spuren des Füllmaterials zurückbleiben. Je genauer man für sich dokumentiert, welcher Filler unterspritzt wurde, desto besser ist man bei eventuellen Komplikationen vorbereitet.

Die Münchner Dermatologin Patricia Ogilvie und Per Hedén betonten außerdem, dass nicht einmal die Wirkung von bewährten Fillern in der Haut lückenlos erforscht ist. „Wieso gibt es immer noch Granulome, was löst sie aus?“ fragte Per Hedén die Firmenvertreter – und die hatten keine Antwort. „Seien wir ehrlich“, mahnte Patricia Ogilvie, „wir kennen die Filler sehr genau, und wir sehen, was mit der Haut nach der Injektion geschieht. Aber der Weg dahin ist wie eine Black Box. Es gibt nicht für jedes Phänomen eine wissenschaftliche Erklärung.“

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+ Was wir uns merken müssen: Und wenn wir noch so oft hören oder lesen, Fillerbehandlungen seien 100 Prozent sicher – sie sind es nicht.

Text: Angelika Brodde
Foto: Master1305/Shutterstock.com

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