Die Stimmung ist wunderbar. Es gibt Bellinis, Tartes und Macarons, es wird geredet und gelacht. Was wie eine Tupper-Party anmutet stellt sich als Botox Veranstaltung heraus, statt des Küchenzubehör-Verkäufers spricht ein Botox Spezialist über die vielfältigen Benefits des Anti-Falten-Mittels. Meist kann man sich bei derlei Veranstaltungen auch gleich behandeln lassen.
Mittlerweile gibt es aber nicht nur Botox-Partys, es gibt auch Botoxabos und Botox-to-go-Stationen mit Flatrates für ein Jahr – Botox, sooft man möchte. Unter dem Schlagwort Botox findet man bei Google knapp 45 Millionen Einträge. Botox, so scheint es, ist in der gesellschaftlichen Normalität angekommen. Aber machen Botox-Partys und Flatrates Sinn? Wie sicher ist Botox und was gibt es Neues, Wissenswertes über das Neurotoxin oder neue Technik für Botox Unterspritzungen zu berichten?
Was ist Botox und wie wirkt es?
Entdeckt wurde die faltenglättende Wirkung von Botulinumtoxin durch die kanadische Augenärztin Jean Carruthers im Jahr 1987 als Nebenwirkung bei einer Patientin, die gegen unkontrollierbares Augenzucken behandelt wurde. Seit der ersten wissenschaftlichen Untersuchung zur faltenglättenden Wirkung des Medikaments Botulinumtoxin Typ A ist es aus der Ästhetischen Medizin nicht mehr wegzudenken. Ein wahrer Botox Boom hat sich seinen Weg gebahnt und viele Anbieter auf den Markt gerufen, die sich unter anderem bei den Preisen unterscheiden. Aber wie erkenne ich einen guten und seriösen Behandler, wofür wird Botox inzwischen eingesetzt und was gibt es bei der Behandlung zu beachten? Eines gleich vorweg: Je präziser Botox angewendet wird, desto individueller ist das Ergebnis.
Botox – der Stoff für alle Fälle?
Nachgefragt bei Experten. „Gleich vorweg. Botox ist für uns als ästhetische Mediziner ein Segen, so essenziell wie die Farbe für den Maler“, erklärt der Dermatologe und Leiter der Rosenpark Klinik Dr. Gerhard Sattler. „Botoxpartys, Flatrates und Botoxabos machen allerdings überhaupt keinen Sinn. Zum einen gehört das Nervengift immer in die Hände eine Spezialisten und zum anderen verführen Abos und Flatrates nur zu überflüssigen und unsinnigen Behandlungen. Es gibt offensichtlich Mediziner, die sich eher als Geschäftsleute, denn als verantwortungsvolle Ärzte sehen“, so der Dermatologe weiter.
Ästhetische Anwendung von Botox
Auf jeden Fall ist Botulinumtoxin der unangefochtene Bestseller auf dem Markt der ästhetischen Medizin. Die Kundschaft wächst stetig, und wird immer jünger. Weltweit belegen Botulinum-Injektionen Platz eins unter den Beauty-Behandlungen und auch die Männer holen auf. Seit dem Jahr 2002 ist Botox für die kosmetische Behandlung der Zornesfalte offiziell erlaubt. Die strenge US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) erteilte damals dem Botoxpräparat der Firma Allergan die Zulassung. Die Wirkung ist einfach erklärt: Mit Botoxbehandlungen kann man den Muskeltonus so beeinflussen, dass der mimische Stress für die Haut vermindert wird. Dadurch glättet sich die Haut und wirkt entspannt und verjüngt.
Botox gegen Zornesfalte
Längst wird der Superstar der ästhetischen Medizin aber nicht mehr nur gegen die Zornesfalte injiziert. Erfahrene Ärzte sind sehr kreativ, wenn es um den Einsatz des Nervengifts geht. „Zum Beispiel kann eine nach unten zeigende Nasenspitze damit angehoben werden, indem der Muskel unter der Nase entspannt wird“, erklärt die Hamburger Dermatologin Dr. Susanne Steinkraus und Dr. Sattler bemerkt: „Die Waden lassen sich verschlanken, wenn man gezielt einzelne Stränge des Wadenmuskels blockiert. Dadurch kann man den Umfang der Waden um bis zu vier Zentimeter reduzieren.“ Das Gleiche gilt für zu kräftig geratene Oberarme – durch die Injektionen werden die Muskeln schlanker ohne den Bewegungsablauf einzuschränken. Das funktioniert vor allem bei jungen Frauen, bei älteren Frauen führt der Volumenverlust am Oberarm zu einem unschönen Überschuss der verbleibenden Haut.
“Botulinumtoxin kann außerdem genutzt werden, um die Falten rund um den Mund zu glätten, Nasolabialfalten zu minimieren, die Augenbrauen zu heben die Falten am Hals zu minimieren oder Haarausfall zu bekämpfen. Es wird wird auch erfolgreich gegen übermäßiges Schwitzen eingesetzt. Vor allem Achselhöhlen, Hände aber auch Oberlippe und Stirn sind gute Indikationen”, betont Dr. Steinkraus.
Und wie fühlt es sich an, wenn Botox zu ersten Mal injiziert wird? Gibt es immer noch Vorurteile gegen das Nervengift und wie sind die Erfahrungen mit der Behandlung? “Die Patientinnnen und Patienten sind sehr aufgeklärt und haben wenig Berührungsängste, wenn sie sich zum ersten Mal einer Behandlung unterziehen”, erklärt die Münchner Dermatologin Dr. Elisabeth Schumachers rund um das Thema “My first Botox”.
Medizinische Anwendung von Botulinumtoxin
So weit die Behandlungspalette im Bereich Ästhetik. Der Siegeszug von Botulinumtoxin geht aber weit darüber hinaus. Wussten Sie, das ein Drittel der Erwachsenen irgendwann im Leben Probleme mit dem Zähneknirschen hat? Vor allem Frauen zwischen 30 und 45 Jahren sind betroffen, ohne von ihrem nächtlichen Kirschen zu wissen. Manchmal sind dentale Probleme der Grund, häufig sind es aber einfach Überlastung und Stress.
„Darunter leiden langfristig nicht nur Kiefer und Zähne, zum Teil gerät. die gesamte Gesichtssymmetrie aus den Fugen, weil der Kaumuskel so kräftig geworden ist, dass die jeweilige Gesichtshälfte angeschwollen erscheint“, erklärt Dr. Schuhmachers. „In unserer Praxis haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, den äußeren Kaumuskel durch Botulinumtoxin zu entspannen, wodurch sich das Gesicht verschlankt und wieder weicher wirkt“, so die Dermatologin weiter. Sogar ein sogenanntes “Gummy Smile”, wenn beim Lachen zuviel Zahnfleisch sichtbar wird, kann damit behandelt werden
„Darüber hinaus hilft Botulinumtoxin hervorragend bei Spannungskopfschmerz und stirnbetonter Migräne . Ich habe einige glückliche Patienten, die jahrelang massiv Probleme hatten und jetzt erscheinungsfrei sind“, freut sich die Ärztin.
Injektion gegen Depressionen
Ganz erstaunlich sind außerdem die Ergebnisse im Zusammenhang mit Depressionen. Das „Journal of Psychiatric Research“ berichtet, das Botox sogar gegen Depressionen hilft: „Wir haben in einer randomisierten kontrollierten Studie gezeigt, dass die einmalige Injektion von Botulinumtoxin in die Glabellaregion das depressive Syndrom schnell, deutlich und anhaltend lindern kann“, berichten die Psychiater Prof. Axel Wollmer und Prof. Tillmann Krüger. Die „Facial Feedback“-Theorie gab es schon lange, demnach zeigen die mimischen Muskeln nicht Gefühle, sondern beeinflussen sie auch. Auch Dermatologen hatten bereits beobachtet, dass die Anti-Falten-Behandlung in der Zornesfalte eine weit über das erwartbare Maß hinausreichende, die Stimmung aufhellende Wirkung hat.
Ist das möglich? Mit Botox abnehmen?
Und schließlich könnte und sogar eine “Botulinum-Diät” bevorstehen. Es laufen Studien zum Abnehmen mit Hilfe des Neurotoxins. Dabei wird die Magenmuskulatur ruhig gestellt, wodurch die Entleerung langsamer, das Sättingungsgefühl gesteigert und so das Gewicht reduziert wird. Ob das wirklich Sinn macht, müssen Studienergebnisse noch beweisen.
Wissenschaftler der Universität für Wissenschaft und Technologie Norwegen haben 20 Probanden mit einem stark erhöhten Body Mass Index zwischen 35 und 40 (als übergewichtig gilt man ab einem Wert von 25) Botox in den unteren Magen injiziert. Dafür wurde ein Endoskop über den Mund in den Magen eingeführt. Ein halbes Jahr später wurde eine weitere Botox-Spritze verabreicht. So sollte der so genannte Vagusnerv blockiert werden, der das Hungergefühl an das Gehirn kommuniziert.
Das Ergebnis: Nach einem Jahr und zwei Botox-Shots hatten 70 Prozent der Probanden, das heißt 14 Personen, durchschnittlich etwa 17 Prozent Gewicht verloren. Nach 18 Monaten und drei Botox-Injektionen gaben rund 75 Prozent einen Gewichtsverlust von durchschnittlich sogar 28 Prozent zu Protokoll. Klingt nach einer vielversprechenden Methode?
Risiken von Botox
Dr. Svenja Giessler betreibt als Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie eine Praxis in München. Sie arbeitet seit über 15 Jahren mit Botox und sagt: „Es wäre der letzte Schrei, wenn das möglich wäre. Es gibt mittlerweile viele Anwendungsgebiete für Botulinumtoxin, wie zum Beispiel bei Blasenschwäche oder Schließmuskelstörungen. Allerdings: Jedes medizinische Produkt, wie zum Beispiel Brustimplantate, und auch die Anwendungen benötigen Zulassungen, wie etwa eine FDA-Zulassung (US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration). Diese unterliegt strengen Regeln und langen, wissenschaftlichen Tests.“
Die durchgeführte Studie zur Behandlung von Übergewicht mit Botox ist, so betonten die Wissenschaftler selbst, ist noch sehr klein. Das Ergebnis muss durch weitere, wissenschaftliche Tests verifiziert werden. Doch selbst wenn diese Zulassung glückt, ein Allheilmittel für die Adipositas-Behandlung ist es nicht. Expertin Dr. Giessler weist darauf hin: „Botox ist vergänglich, es baut sich nach einigen Monaten ab. Das heißt der übergewichtige Patient hat vielleicht zehn Kilo verloren und sechs Monate später geht es wieder von vorne los.“ Es ist also noch zu früh, die Laufschuhe in den Keller zu verbannen.
Und abschließend noch eine gute Nachricht: “Botox ist, wie über 2000 Studien zeigen eines der sichersten Mittel der ästhetischen Medizin und ein Eiweißstoff, der vom Körper vollständig abgebaut wird. Daher sind keine Langzeitnebenwirkungen bekannt“, so Dr. Sattler. Und auch Dr. Steinkraus betont: „Botolinumtoxin kann viel mehr als nur Falten glätten, es ist ein sicheres und zugelassenes Arzneimittel und somit viel besser als sein Ruf!“