Jeder Zweite kaut nachts an seinen Problemen. Nächtliches Zähneknirschen ist ein echtes Warnsignal dafür, dass der Körper aus der Balance geraten ist. Hier die wichtigsten Therapieansätze.
„Der Mund ist der Eingang aller Krankheiten und der Ausgang aller Leiden“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Und da ist wirklich etwas dran: So können Bissstörungen oder Zahnschäden zum Beispiel Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, Ohrgeräusche und sogar Schlafstörungen hervorrufen. Die meisten Menschen kommen wahrscheinlich nicht auf die Idee, zum Zahnarzt zu gehen, wenn sie unter Rückenschmerzen leiden. Doch ein Besuch bei Spezialisten lohnt sich unter Umständen, denn die Ursache von Wirbelsäulen-Problemen könnte tatsächlich im Mund liegen.
Das Kreuz mit dem Kreuz hat sich zu einer Volkskrankheit entwickelt. Mindestens jeder fünfte Erwachsene in Deutschland leidet unter chronischen Rückenbeschwerden. In vielen Fällen können die Ärzte nicht sagen, was die genaue Ursache ist. Nur bei zehn bis fünfzehn Prozent der Patienten sind tatsächlich die Bandscheiben Schuld. Meistens jedoch lautet die Diagnose „unspezifische Rückenschmerzen“, das heißt: Die Wirbelsäule weist keine ernsten organischen Schäden auf.
Ständig unter Strom
Viele Betroffene erleben nicht nur eine Rückenschmerz-Episode. Die meisten leiden in mehr oder weniger großen Abständen immer wieder unter Schmerzen. Bei Menschen, die regelmäßig „unter Strom“ stehen, sind nicht nur die Nerven, sondern auch die Muskeln angespannt. Zu den möglichen Auslösern für Verspannungen und Schmerzen im Rücken, Nacken-, Schulter-, oder Kopfschmerzen zählen sehr häufig Fehlfunktionen im Bereich der Kiefergelenke oder Zähne. Zahnärzte bezeichnen derartige Störungen als Cranio-Mandibuläre Dysfunktion (CMD) – der Name leitet sich ab von den Begriffen „Cranium“ (Schädel), „Mandibula“ (Unterkiefer) und „Dysfunktion“ (Fehlfunktion). „Etwa zwei Drittel aller Menschen haben Funktionsstörungen im Kausystem mit begleitenden Symptomen der craniomandibulären Dysfunktion“, erklärt Dr. Gerd Reichardt, der sich neben seiner Spezialisierung auf funktionelle und ästhetische Zahnheilkunde in seiner Stuttgarter Praxis auch verstärkt um das Thema CMD kümmert.
Durchbeißen im Alltag
Das Krankheitsbild CMD beruht auf einem gestörten Zusammenspiel von Ober- und Unterkiefer sowie auf Zahnfehlstellungen, die entweder natürlich bedingt sind oder durch nicht korrekt sitzenden Zahnersatz. Ist das komplexe Gefüge aus Zähnen, Kiefergelenk, Muskeln, Sehnen und Bändern beeinträchtigt, kann es zu den oben beschriebenen Symptomen kommen.
Ein sehr häufiges Anzeichen für eine CMD ist das Zähneknirschen. Viele Menschen beißen sich im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben – meistens in der Nacht und völlig unbewusst. Wer im Schlaf mit den Zähnen knirscht übt zehnmal mehr Druck auf die Zähne aus, als beim normalen Essen. Es entstehen Risse im Zahnschmelz, Abrieb an den Kauflächen und Schneidekanten, einzelne Zähne können sich sogar lockern oder abbrechen.
Gezielte Behandlung
Die auf CMD spezialisierten Zahnärzte stellen mit speziellen Diagnosemethoden fest, ob hinter den Beschwerden eines Patienten eine Fehlfunktion der Kiefergelenke steckt. Nach der Vermessungsanalyse der Bisslage mit einem funktionsdiagnostischen System werden spezielle biodynamischen Aufbissschienen entwickelt, mit denen die Ursachen für das Zähneknirschen in vielen Fällen erfolgreich therapiert werden können. Spezialisierte Zahnärzte haben außerdem in der Regel ein Netzwerk, in dem begleitende Therapien wie Physiotherapie der Kiefergelenke oder Osteopathie angeboten werden.
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